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Oliver Wenzlaff

Oliver Wenzlaff steht für Hörspiele der besonderen Art. Abseits des Mainstreams stechen sie mit ihrer Einzigartigkeit heraus.

 

Angefixt hatte mich Oli mit seiner Produktion "Galerie der Phantasten". Hörspiele mit düsterem, phantastischem Charme. Dem folgte die Alina-Fox-Reihe, die auf den Comics und Figuren von Daniel Gramsch basiert. Hierfür konnte er bekannte Synchronsprecher gewinnen, unter anderem Gundi Eberhard (bekannt als Charlotte York aus "Sex and the City") oder Michael Tietz, der unter anderem den Neelix in "Star Trek: Raumschiff Voyager" spricht.

Auf der Leipziger Buchmesse traf ich Oli und hab ihm dann auch gleich mal ein paar Fragen gestellt.

Zuerst natürlich, warum er gerade so auf Hörspiele versessen ist.

Dies war schnell erklärt: ein wenig kindliche Prägung, ein wenig Zufall. Er hat als Kind jede Mende Hörspiele gehört und auch in der Grundschule schon ein Hörspiel geschrieben. Seine Lehrerin (Frau Fuchs ist ihr Name) hat ihn ermutigt, das Stück mit Klassenkameraden im schuleigenen Mehrzweckraum aufzunehmen. Auch sein Vater meinte, als es darum ging, die erste Stereoanlage für das Kinderzimmer zu kaufen: Warum kein Mehrspur-Aufnahmegerät? Für mehr Hörspiele. Das Thema Hörspiel verwuchs sich dann, aber Oli hat später weiter kreative Sachen gemacht (hauptsächlich Musik, so kannte er ein paar Studios). Irgendwann ging es mehr oder weniger zufällig zurück zu den Wurzeln – zum Hörspiel –; jemand aus seinem Abiturjahrgang brachte ihn darauf, denn er hatte ein Hörspiel rausgebracht. Oli war begeistert und wollte hier selbst auch wieder aktiv werden. 

 

Für die Vermarktung seiner Hörspiele arbeitete Oli zunächst mit dem Comic-Culture-Verlag zusammen, der sich allerdings jetzt auflösen muss. Die letzten Auslieferungen über den Verlag erfolgen spätestens am 30. September 2015. Die Hörspiele werden aber weiter erhältlich sein, unter anderem macht Audiamo die Auslieferung, wo neben Olis CDs auch einige seiner Hörspiele wie z. B. Galerie der Phantasten exklusiv käuflich als Download zu erwerben ist.

Mich persönlich hat brennend interessiert, wie Oli denn an die Schauspieler kommt, die seine Hörspiele so wunderbar sprechen (wie die oben genannte Gundi Eberbard und viele andere). 

 

Die Antwort ist einfach: Erneut ein bisschen Zufall, aber auch eine Menge Arbeit. Stichwort Zufall: Einen Synchronsprecher hat er z.B. bei einem Fotoshooting für ein Kunstprojekt kennengelernt, für das beide fotografiert wurden. Stichwort Arbeit: Oli hat früher Anzeigen geschaltet, worauf sich Sprecher dann mit einem Demo-Tape bewerben konnten. Er hat alles durchgehört und sich viele Gedanken gemacht, wer passen könnte und wer nicht. Außerdem gibt es Internetportale, auf denen sich Sprecher vorstellen und ihre Demos hochladen können. Da hat Oli nach eigenen Angaben hunderte von Stimmproben durchgehört und viele davon angeschrieben. Nicht zuletzt kriegt er auf Buchmessen auch mal ein Demo in die Hand. Manchmal ist es so, dass Sprecher, mit denen Oli schon mal gearbeitet hat, sogar mit einer Projektidee kommen. Das war so bei "Galerie der Phantasten". Die Schauspieler Gundi Eberhard, Thomas Schmuckert und Iris Artajo hatten die Stücke schon live vor Publikum gemeinsam mit Vera Claus am Piano performt. haben.

Sie hatten dann die Idee, die Stücke auch mal im Studio aufzunehmen. Oli war begeistert. Das Ergebnis begeistert ebenso.

 

Wie die Planung für kommende Projekte aussieht, konnte mir Oli auch schon sagen. Es sind wohl weitere Hörspiele in der Art der Galerie der Phantasten angedacht, die Reihe an sich wird aber nicht fortgesetzt. Alle Beteiligten seien beruflich stark eingespannt, und es ist recht schwierig, die Crew zeitgleich ins Aufnahmestudio zu bringen. Auch wird das Hörspielmachen für ihn nicht einfacher ohne den Comic Culture Verlag.

 

Apropos Aufnahme. Wie läuft das eigentlich? Einen Blick hinter die Kulissen konnte mir Oli dann auch noch geben. Wie bei der Aufnahme eines Liedes stehen auch die Sprecher in einer Kabine mit Kopfhörer auf den Ohren. Eine Glasscheibe ermöglicht Sichtkontakt zu Regisseur (Oli) und Tontechniker. So wird die Sprachebene des Hörspiels realisiert. Bei Galerie der Phantasten wurde zusätzlich die Musik live während der Sprachaufnahmen eingespielt. Das ist wohl aber die Ausnahme. 

Und dann? Tja, dann kommt der aufwändigste Teil. Sind die Sprachaufnahmen "im Kasten", kommt die Bearbeitung der Aufnahmen und das Hinzufügen von Soundeffekten. Und das dauert laut Olis Aussage "ewig". Denn er ist ein Perfektionist. Bei ihm heißt das: In 10 Minuten Hörspieldauer liegen 40 Arbeitsstunden allein für die Soundeffekte. Manchmal auch mehr. Die Zeit, die es erfordert, vorher das Skript zu schreiben für die Passage, die Sprachaufnahmen zu machen, die Sprachaufnahmen zu schneiden und die Lautstärkeverhältnisse insgesamt anzupassen – die kommt noch dazu.

 

Das ist kaum vorstellbar, aber ich als Bloggerin kenne das. In einem einseitigen Artikel liegen auch viele Stunden Recherche, Arbeit und natürlich Überarbeitung, bevor man das Endergebnis per Knopfdruck veröffentlicht.

 

Oli wirkte auf der Messe sehr entspannt, mitten in seinem Metier eben. Ich konnte ihm auch kurz auf der Hörspielbühne zuhören. Er führte präzise und interessant durch den Vortrag (siehe Foto oben: Oliver sitzt rechts, links neben ihm ein anderer Hörspielmacher: Falk T. Puschmann).

 

Übrigens: Nicht nur die obigen zwei Hörspielreihen gehen auf Olivers Konto. Auch die "Nerd-Stories" sind aus seiner Feder. Hier handelt es sich um Kurzgeschichten, zum Beispiel Beobachtungen "von Personen aus der S-Bahn, die dort telefonieren und so unfreiwillig einen Teil ihrer Lebensgeschichte preisgeben". Da soll es demnächst auch eine neue Folge geben. Eine Art Abschiedsgeschenk des Comic Culture Verlags sozusagen.

Oder Adams von Ghoot - eine skurril abgehobene und trotzdem liebenswerte Reihe, die den Untertitel "Science-Fiction-Love-Story" trägt. 

 

Oliver ist sehr vielseitig. Er produziert nicht nur Hörspiele, er schreibt oft auch die Skripte für die Hörstücke. Und er schreibt noch mehr: Artikel für Zeitschriften und Zeitungen, ganz selten auch mal Musik. 

 

Ich kann jedem nur die Hörspiele ans Herz legen. Leider finden sie, wie Oli mir gesagt hat, viel zu wenig Beachtung. Jedes Hörspiel, das in einem kleinen Verlag erscheint und ohne Geld für Werbung auskommen muss, läuft Gefahr, nur ganz, ganz wenige Hörer zu erreichen (er sagte, dass dreistellige Verkaufszahlen die Regel sind, vierstellige sind schon ein Erfolg). Das hat aber nichts mit der Qualität zu tun, sondern einfach nur damit, dass der Hörspielmarkt klein ist – und ohne Werbung eben noch weniger Menschen erreicht werden. Also traut Euch, Leute. Hört mal in eins von Olis Hörspielen rein. Sie sind einzigartig. 

 

(Dieses Interview erschien auch schon am 12.04.2015 auf meinem alten Blog "Kleeblatts Buecherblog").

 

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